Female Aggression- vom Tabu zur Tatkraft in 5 Minuten
- Coach Yazz
- 18. März
- 5 Min. Lesezeit
1. Einleitung: Warum sprechen wir nicht über weibliche Aggression?
Aggression ist eine starke Emotion. Sie kann zerstören oder verändern, verletzen oder befreien. Während männliche Aggression oft als natürlicher Bestandteil des Menschseins gesehen wird, haftet weiblicher Aggression etwas Ungehöriges an.
Klar ist: Aggression ist kein männliches Phänomen – sie ist menschlich. Doch Frauen sollen sanft, verständnisvoll, anpassungsfähig sein – aber nicht aggressiv. Sie wird als unschicklich, hysterisch oder übertrieben abgetan.
Die Folge? Viele Frauen haben nie gelernt, konstruktiv mit ihrer Aggression umzugehen. Statt sie nach außen zu richten, kehren sie sie gegen sich selbst – in Form von Selbstzweifeln, Perfektionismus oder Selbstsabotage. Manche erleben das Gegenteil: explosionsartige Ausbrüche, die sich ungeachtet der Situation entladen.
In meinem Fall ging es lange in beide Richtungen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass Frauen sich diesen Teil ihrer Selbst zugestehen und ihr Potenzial erweitern, anstatt es in eine „dunkle Ecke“ zu verbannen.
2. Aggression: Ein menschliches, kein männliches Phänomen
In Anatomie der menschlichen Destruktivität unterscheidet Erich Fromm zwei Formen der Aggression:
• Gutartige Aggression (benign aggression) ist eine angeborene, biologisch verankerte Reaktion auf Bedrohung, Gefahr oder Ungerechtigkeit. Sie ist zielgerichtet und dient dem Schutz der eigenen Grenzen sowie der Veränderung von Missständen. Diese Form der Aggression ist eine notwendige Überlebensstrategie, die in herausfordernden Situationen aktiviert wird, um zu handeln, sich zu verteidigen oder für etwas einzustehen.
• Bösartige Aggression (malignant aggression) hingegen entspringt nicht einer natürlichen Verteidigungsreaktion, sondern ist destruktiv, oft irrational und selbstzweckhaft. Sie kann als Zeichen von Hass, Rache, Masochismus oder Sadismus, Lust auf Foltern, Quälen und Töten wahrgenommen werden und zielt darauf ab, anderen absichtlich Schaden zuzufügen – sei es physisch, emotional oder psychisch.
Fromm betont, dass gutartige Aggression ein notwendiges Werkzeug ist, um sich in einer Welt voller Herausforderungen zu behaupten. Sie befähigt uns, Ungerechtigkeit zu bekämpfen, Grenzen zu setzen und für uns selbst einzustehen. Bösartige Aggression hingegen ist erlernt und kann durch gesellschaftliche Strukturen oder persönliche Traumata verstärkt werden.
Diese Unterscheidung ist essenziell:
Aggression ist nicht per se schlecht – sie ist notwendig. Ohne sie gäbe es keine Revolten gegen Ungerechtigkeit, keine klare Abgrenzung in Beziehungen, keine Selbstbehauptung.
Doch warum gilt sie bei Frauen als „unweiblich“? Und wenn sie „weiblich“ ist, dann als „zickig“, „anstrengend“ oder „bossy“?
Historisch war Aggression ein Privileg der Mächtigen, eine Eigenschaft von Kriegern. Gewalt wurde als Ausdruck von Männlichkeit verstanden. Frauen hatten in den meisten Gesellschaften wenig Macht.
Wer sich nicht wehren darf, verlernt es. Sozialisation verstärkte das: Mädchen wurden für fügsames Verhalten belohnt, Jungen für Durchsetzungsvermögen.
3. Die unsichtbare Aggression der Frauen: Selbstsabotage statt Ausdruck
Weil offener Ausdruck von Aggression bei Frauen weniger akzeptiert ist, zeigt sie sich oft indirekt. Statt laut „Nein!“ zu sagen, schlucken viele Frauen ihre Aggression herunter – und richten sie gegen sich selbst.
In meinen Kursen fällt es besonders älteren Teilnehmerinnen schwer, laut und klar Grenzen zu setzen. Die Folgen dieser unterdrückten Aggression sind oft:
• Perfektionismus („Ich darf mir keine Fehler erlauben.“)
• Selbstkritik („Ich bin selbst schuld, dass mich niemand ernst nimmt.“)
• Passive Aggressivität („Nein, ich bin nicht genervt!!“ – Ich sage Ja, obwohl ich Nein meine, und leide dann darunter.)
• Psychosomatische Beschwerden (z. B. chronische Verspannungen, Migräne, Magenschmerzen)
Diese unterdrückte Aggression führt zu innerem Konflikt. Einerseits brodelt sie, andererseits fehlt die Strategie, sie auszudrücken. Viele Frauen fühlen sich zerrissen zwischen dem Wunsch nach Harmonie und dem Bedürfnis nach authentischem Ausdruck.
Ich selbst wuchs in einem Haushalt mit gegensätzlichem Umgang mit Aggression auf:
• Mütterlicherseits wurden negative Emotionen unterdrückt, bis sie sich explosionsartig entluden – oft ohne klaren Anlass, was den Umgang mit Aggression unberechenbar machte.
• Väterlicherseits wurden Emotionen direkt angesprochen, was sie weniger bedrohlich erscheinen ließ, einen offenen Umgang ermöglichte, dafür wurden die Wechsel an Emotionen am Tag öfters durchlebt.
Diese Ambivalenz spiegelte sich lange in meinem Verhalten wider. Ich schwankte zwischen Selbstverleugnung, unterdrückter Aggression, passiv-aggressivem Verhalten und impulsiven Aggressionsausbrüchen.
Der innere Konflikt zwischen Aggression und Trauer versetzte mich ständig in Unruhe.
4. Weibliche Aggression als Kraftquelle – Ein neuer Umgang
Aber was, wenn Aggression nicht unterdrückt oder unkontrolliert ausgelebt, sondern bewusst genutzt wird?
Ein gesunder Umgang beginnt mit:
1. Erkennen: Wann und warum werde ich aggressiv? Welche Muster erkenne ich?
2. Annehmen: Meine Aggression ist berechtigt. Sie zeigt mir meine Grenzen und Bedürfnisse. Ich darf mich abgrenzen, eine andere Meinung haben und ich selbst sein – ohne mich oder andere zu verletzen.
3. Ausdruck finden: Aggression kann Kommuniziert und transformiert werden – durch Worte, Bewegung oder andere konstruktive Kanäle.
Offene Kommunikation ist dabei der Schlüssel. Statt Aggression in Ironie oder passiv-aggressive Kommentare zu verpacken, hilft es, klar und direkt Grenzen zu setzen.
Ich persönlich habe gelernt, dass es mir schwerfällt, zu kommunizieren, wenn ich bereits an meiner Grenze bin. Deshalb beobachte ich meine Aggression genau und reagiere frühzeitig:
Grenzen setzten, ohne an die eigene Grenzen zu geraten
Klare Abgrenzung zu bestimmten Menschen hilft. Früher pflegte ich aus Pflichtgefühl oder Anstand Kontakte, die mich immer wieder an meine Grenzen brachten. Irgendwann erkannte ich, dass ich mich schützen muss – ohne meine respektvolle Art zu verlieren.
Ehrlich und aufrichtig zu erfassen, dass man selbst nicht in der Lage ist, diese Person ohne Grenzerfahrung zu erleben, ist der beste Weg aus der Situation.
Ich kann dabei meine nette und respektvolle Art beibehalten und die Grenzen zwischen der Person und mir verlegen, anstatt immer wieder selbst an der Grenze zu gelangen.
Statt in toxischen Beziehungen auszuharren, zog ich Grenzen.
Wenn ich früh merke, dass es in die falsche Richtung geht:
„It is what it is.“
Dieses Mantra hilft mir, loszulassen. Oft werde ich durch meinen starken Gerechtigkeitssinn aggressiv und beziehe Dinge auf mich, die mich eigentlich nicht betreffen. Dann erkenne ich mein Aggressionspotenzial und lenke es um – durch Sport, Boxsack-Training oder Klimmzüge.
Wenn ich bereits sehr aggressiv bin:
„Ich sage jetzt nichts mehr dazu, weil ich merke, dass ich aggressiv werde. Sei mir nicht böse, aber ich gehe jetzt lieber und melde mich, wenn ich mich beruhigt habe.“
Danach reflektiere ich die Situation im Gespräch mit Freunden.
5. Fazit: Vom Schweigen zur Selbstermächtigung
Aggression gehört nicht nur Männern – sie gehört allen Menschen. Frauen haben das gleiche Recht, sich abzugrenzen und laut zu werden.
Ich begann mit 15 Jahren mit Kampfsport, dass hat meine Welt der Aggressionen von Grund auf neu sortiert und aus mir einen ausbalancierteren Menschen gemacht.
Mit 24 begann ich eine Therapie, die mir half, sie konstruktiv zu nutzen.
Die Frage ist also nicht: „Darf ich aggressiv sein?“
Sondern: „Wie gehe ich mit meiner Aggression um?“
Denn wer gelernt hat, seine Aggression bewusst und gesund auszudrücken, muss sie nicht gegen sich selbst oder andere richten. Das kann befreiend und harmonisierend sein.
Hast du Fragen zu deinem persönlichen Umgang mit Aggression? Schreib mir gerne – ich bin für dich da!
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